Inhalt eines Sozialkonzeptes für Spielhallenbetreiber und Gaststätten

leitfaden_Sozialkonzept1. Einleitung

Gewerblich angebotene Spielgeräte, bei denen der Gewinn in Geld besteht (Geldspielgerät), stellen öffentliches Glücksspiel dar. Jeder Veranstalter, Aufsteller oder Vermittler öffentlichen Glücksspiels ist dem Risiko ausgesetzt, durch sein Angebot beim Spieler problematisches oder krankhaftes Spielverhalten in Form der Spielsucht auszulösen oder zu fördern. Die Spielsucht ist ein pathologisches, also krankhaftes sowie zwanghaftes Spielen, bei dem der betroffene Spieler der Anziehungskraft des Glücksspiels nicht widerstehen kann. Deshalb stellt das Anbieten und Betreiben gewerblicher Geldspielgeräte ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dar. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde den Bundesländern die Kompetenz zur Regelung des Glücksspielrechts übertragen, Artikel 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz (GG). Die Bundesländer haben durch Abschluss des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages (Erster GlüÄndStV) hiervon Gebrauch gemacht. Mit dem Siebten und  Neunten Abschnitt des GlüStV (§§ 24 bis 26 und § 29) werden mit Wirksamkeit seit dem 1. Juli 2012 auch Regularien zur Errichtung und zum Betrieb von Spielhallen umfasst. Die Festlegungen des GlüStV werden im Freistaat Sachsen durch § 18 a des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag (GlüStVAG) konkretisiert. Unabhängig von diesen konkreten Neuregelungen des GlüStV und des SächsGlüStVAG gelten die in § 1 des GlüStV aufgeführten Kernziele des Glücksspielrechts nun auch unmittelbar für die gewerblichen Spielhallenbetreiber. Die in § 1 des Staatsvertrags aufgeführten Kernziele gelten gleichrangig nebeneinander und betreffen nach

  • Nr.1: die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht,
  • Nr.2: die Kanalisierung und Begrenzung des angebotenen Glücksspiels,
  • Nr.3: die Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes,
  • Nr.4: die Sicherstellung eines fairen Spiels sowie
  • Nr.5: den Schutz vor betrügerischen Machenschaften und Kriminalität beim Glücksspiel.

Zudem müssen im Rahmen dieser Intention auch differenzierte Maßnahmen vorgesehen werden, wie den spezifischen Suchtgefährdungspotenzialen Rechnung getragen wird (§ 1 Satz 2 GlüStV). Darauf Bezug nehmend wird mit der Regelung des § 18 a Abs. 1 Satz 3 SächsGlüStVAG im Besonderen festgelegt, dass ein Spielhallenbetreiber unter die Pflichten nach § 6 GlüStV fällt. Gemäß § 6 GlüStV wird somit die Verpflichtung zur Aufstellung eines konkreten Sozialkonzeptes vorgegeben:

„Die Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen sind verpflichtet, die Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen. Zu diesem Zweck haben sie Sozialkonzepte zu entwickeln, ihr Personal zu schulen und die Vorgaben des Anhangs „Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht“ zu erfüllen. In den Sozialkonzepten ist darzulegen, mit welchen Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels vorgebeugt werden soll und wie diese behoben werden sollen.“

Bei der Entwicklung und Fortschreibung eines Sozialkonzeptes soll jeder Verpflichtete besonders darauf achten, dass sein vorzulegendes Sozialkonzept den individuellen Anforderungen seines Angebotes gerecht wird. Es gibt hierbei kein Standardsozialkonzept, welches auf jedes Glücksspielangebot universell angewendet werden kann. Vielmehr soll jeder Verpflichtete gerade bei Auftragsarbeiten immer kontrollieren, ob das gelieferte Sozialkonzept mit den dargestellten Maßnahmen auch wirklich den Anforderungen seines konkreten Glücksspielangebotes entspricht. Jedem Verpflichteten sollte dabei klar sein, dass das Sozialkonzept bei der Aufsichtsbehörde für Erlaubnis oder Untersagung des gewerblichen Betriebes entscheidend sein kann. Im Folgenden werden einige allgemeine und besondere Inhalte eines möglichen Sozialkonzeptes exemplarisch vorgestellt, an welchen sich der Inhalt Ihres konkreten Sozialkonzeptes orientieren kann. Es bleibt jedoch zu betonen, dass es sich hierbei weder um eine abschließende Aufzählung von Maßnahmen noch um ein Muster-Sozialkonzept handelt. Zugleich bleibt weiterhin zu beachten, dass die Erstellung des Sozialkonzepts unabhängig von den gewerberechtlichen Vorgaben und insbesondere den Festlegungen nach der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (SpielV) besteht.

2. Allgemeine Maßnahmen

Im Sozialkonzept sind alle Maßnahmen zum verantwortungsvollen Umgang öffentlichen Glücksspiels aufzuführen, die Veranstalter, Aufsteller oder Vermittler öffentlicheren Glücksspiels unabhängig von der Art des angebotenen Glücksspiels wahrzunehmen haben. Vereinzelte Maßnahmen können dabei auch mehreren Zwecken gleichzeitig dienen.

3. Spielerbezogene Maßnahmen

3.1  Erläuterung zum Umgang mit konkreten Maßnahmen, wie der Zugang von Jugendlichen und Spielsuchtbetroffenen zu   der Spielhalle verhindert wird.
3.2   Erläuterung, wie teilnehmende Spieler zu verantwortungsvollem Glücksspiel veranlasst werden sollen.   Verantwortungsvoll spielt, wer unter anderem

  •     mit vorab festgelegtem finanziellen und/oder zeitlichen Limit spielt,
  •     regelmäßige, ausreichend lange Spielpausen einhält,
  •     Gewinnchancen und Verlustrisiken vor dem Spielbeginn erkannt hat,
  •     nur mit eigenem Geld spielt, niemals hierfür Geld extra leiht,
  •     nur mit Geld spielt, dass nicht anderweitig dringend benötigt wird,
  •     Verluste nicht durch weiteres Spielen aufholen oder kompensieren will,
  •     Glücksspiel nicht als Einkommensquelle ansieht,
  •     andere Freizeitaktivitäten und Freundschaften nicht vernachlässigt,
  •     Glücksspiel nicht als Flucht vor Problemen und Sorgen betreibt.

3.3. Erläuterung zum Umgang mit kostenlosen Informationsmaterialen über die Gefahren des Glücksspiels sowie der Suchtprävention, welche jedem Spieler in der Spielhalle jederzeit zugänglich sein sollen. Das Informationsmaterial hat dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zu entsprechen.

3.4. Erläuterung, wo und wie für erkannt suchtgefährdete Spieler Ansprechpartner und Informationstelefonnummern angeboten werden.

Hier kann insbesondere auf die Hotline von Sozialkonzept.org zur Glücksspielsucht (pathologisches Spielen) Bezug genommen werden. Telefon: 0180 5 21 41 81 (Festnetzpreis 14 ct/Min., Mobilfunkpreise max. 42 ct/Min., Preise aus dem Ausland abweichend).

4. Personalbezogene Maßnahmen

4.1. Erläuterung zu bereits durchgeführten sowie vorgesehenen Schulungen der Mitarbeiter, die im Kontakt zur Spielhallenkundschaft stehen. Die Schulungen und Lehrgänge der Mitarbeiter sollen insbesondere die Kernziele des Jugend- und Spielerschutzes sowie die Gefahren der Spielsucht einbeziehen. Die wesentlichen Inhalte der Schulung sollen dokumentiert sein.
4.2. Erläuterung über geplante Schulungsintervalle der Mitarbeiter. Umfasst werden sollte auch, dass eine Schulung nach Neueinstellung eines Mitarbeiters möglichst zeitnah erfolgt. Aktualisierungen von Schulungen sollten regelmäßig und möglichst alle zwei bis drei Jahre erfolgen, damit der aktuelle wissenschaftliche Stand hinsichtlich der Kenntnisse über Spielsuchtgefahren effektiv in der Spielstätte umgesetzt wird.
4.3. In Betracht kommen kann, insbesondere bei größeren Spielhallen, die interne Bestimmung eines Beauftragten für Spielerschutz. Der Beauftragte für Spielerschutz kann erster Ansprechpartner für Mitarbeiter und Vorgesetzte sein, die Dokumentationen zum Sozialkonzept führen und einzelne Maßnahmen koordinieren. Dazu kann er – nach regelmäßigen Schulungen zur Sucht allgemein, Erkennungsmerkmalen und Folgen der Glücksspielsucht – zu verantwortungsvollem Umgang mit Glücksspiel, des Jugend- und Spielerschutzes sowie dem Umgang mit betroffenen Kunden zentrale Schnittstelle für Spieler und Servicemitarbeiter sein.
4.4.  Erläuterung, wie die Sensibilisierung der Mitarbeiter auf die Ziele des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages sowie des Problems der Spielsucht konkret erfolgt. Dies kann zum Beispiel mit regelmäßiger Unterrichtung durch den Spielhallenbetreiber selbst, einen Verantwortlichen für Spielerschutz oder einen beauftragten Dritten dokumentiert werden.
4.5. Erläuterung, ob bzw. wie konkrete Ansprachen an betroffene Spieler in der Spielhalle erfolgen sowie, ob die Vermittlung an Suchtberatungsstellen – insbesondere in der näheren Umgebung – vorgesehen ist und wie dies dokumentiert wird.
4.6. Erläuterung, welche Festlegungen getroffen werden, damit nicht angestellte Mitarbeiter an Geldspielgeräten in der Spielhalle spielen. Hierdurch soll der negativen Vorbildwirkung vorgebeugt werden.
4.7. Erläuterung, wie und wann Mitarbeiter auf die Konsequenzen bei Verstößen gegen die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes, des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und des bundeslandspezifischen Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag  hingewiesen werden.

5. Administrative Maßnahmen

5.1. Erläuterung zur regelmäßigen Fortschreibung sowie über die Abrufbarkeit des aktuellen Sozialkonzepts für die Aufsichtsbehörde.
5.2  Erläuterung zur Dokumentation im Sozialkonzept, was zumindest zu enthalten hat: Anschrift der Spielhalle, konkret getroffene Maßnahme, Ort, Datum, Unterschrift eines Verantwortlichen, durchgeführte Schulungen der Mitarbeiter; ggf. Kontaktdaten eines  Beauftragten für Spielerschutz.
5.3  Erläuterung, ob bzw. wie ein Früherkennungssystems hinsichtlich problematischen oder pathologischen Spielerverhalten (Spielsucht) erfolgt. Darauf Bezug nehmend  können folgende Merkmale auf ein krankhaftes Spielproblem hindeuten:

  •     Veränderungen im Spielverhalten:  höhere Einsätze, längere Spieldauer, hektischeres Spielen, häufigere Besuche, Verlusten hinterherjagen (Erhöhung der Einsätze nach Verlusten), Reduzierung der Einsätze (Geldmangel, etc.);
  •     Wiederholtes Warten vor der Öffnung der Spielstätte, Unruhe vor dem Einlass;
  •     Gast zeigt auffällige Veränderungen von Verhalten und Erscheinungsbild (Nervosität, Aggression, Verwahrlosung, etc) ;
  •     Unterbrechung des Spiels um Geld zu holen, Geldborgen von Mitspielern;
  •     Gast spielt wiederholt, bis er offensichtlich kein Geld mehr hat;
  •     Unterbrechungen des Spiels nur im Eiltempo (Toilettengänge, kaum Ablenkbarkeit);
  •     Personifizierung des Automaten (Reden bzw. Fluchen mit dem Automaten; Streicheln des Automaten, Gewaltanwendung gegen den Automaten);
  •     depressive Stimmung während des Spiels, fehlendes Interesse am Gewinn, geistige Abwesenheit, wirre Antworten auf gestellte Fragen, verzerrte Wahrnehmung („…andere gewinnen immer, ich nie…”);
  •     Gefühlsausbrüche, Aggressivität, Gereiztheit, Zeichen von Unruhe bzw. Nervosität;
  •     Informationen durch Angehörige, Freunde etc.;
  •     Aussagen von Spielern über Verluste oder Familienprobleme;
  •     Aberglaube und Rituale als Teil der Spielaktivitäten;
  •     Berichte über häufige Gewinne, Prahlen, Verleugnung der Spielintensität;
  •     Bespielen mehrerer Automaten gleichzeitig;
  •     Verlassen der Spielstätte bei Schließung nur auf Druck;
  •     Manipulationsversuche, Mord- und Selbstmorddrohung;
  •     Spielen unter erkennbaren Alkohol- und/oder Drogeneinfluss;
  •     Hitzewallungen und Schweißausbrüche während des Spiels;
  •     Spielgast versucht erfolglos, die Spielhallenbesuche einzustellen oder zu reduzieren.

5.4 Erläuterung, ob und wie die Mitarbeiter jederzeit auf vorliegendes Schulungsmaterial zugreifen können.
5.5 Erläuterung, ob bestehende oder geplante Werbung mit den Werbebeschränkungen nach Vorgaben der §§ 5 und 26 Erster Glücksspieländerungsstaatsvertrag sowie der aktuellen Werberichtlinie der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder in Einklang stehen.
5.6 Erläuterung über den Ausschluss von Glücksspiel im Internet durch geeignete Maßnahmen.

6. Besondere Maßnahmen während des Betriebs der Spielhalle

6.1 Erläuterung zur Gewährleistung, wie durch optische oder technische Maßnahmen gewährleistet wird, dass alle Spielgeräte einsehbar sind und die Spieler beobachtet werden können.
6.2 Erläuterung, wie der Ausschluss einer Mehrfachbespielung von Geldspielautomaten durch einen Spieler verhindert wird.
6.3 Erläuterung, wie betroffenen Spielern die freiwillige Selbstsperre ermöglicht wird. Die Sperre sollte in einem internen Verzeichnis anonymisiert aufgenommen und dokumentiert werden, wobei die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten sind.